Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen für Menschen mit Querschnittlähmung

Nachteilsausgleiche sind im deutschen Sozialrecht gedacht als „Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen“. Sie werden auf Antrag und je nach Grad der Behinderung gewährt – auf sie haben Menschen mit Querschnittlähmung ein Anrecht. Aber auch viele Unternehmen gewähren behinderten Menschen Vergünstigungen.

Mehrere Faktoren bestimmen, in welchem Maß Menschen mit Querschnittlähmung Nachteilsausgleiche erhalten.

Hintergedanke der Nachteilsausgleiche ist, dass Menschen mit Behinderung im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung häufig höhere Ausgaben haben – zum Beispiel in Form von Medikamenten, Hilfsmitteln oder Pflegeaufwendungen. Um diese und andere Nachteile auszugleichen oder zumindest zu mildern, gibt es die Nachteilsausgleiche. Mit ihrer Hilfe soll die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gestärkt werden.

Grundlage: Das Schwerbehindertenrecht

Die wichtigsten Regelungen finden sich im Schwerbehindertenrecht, das im Neunten Buch des Sozialgesetzbuches angesiedelt ist (siehe auch Beitrag Von Assistenz bis Zusatzurlaub: Das steht in SGB IX). § 209 SGB IX definiert: „Die Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen (Nachteilsausgleich) werden so gestaltet, dass sie unabhängig von der Ursache der Behinderung der Art oder Schwere der Behinderung Rechnung tragen.“

Wer welche Nachteilsausgleiche erhält, hängt von drei Faktoren ab:

  • Art der Behinderung
  • Grad der Behinderung (GdB)
  • Eventuell vorhandene Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis (siehe auch Beitrag Schwerbehindertenausweis). Relevant für die Bewilligung eines oder mehrerer Nachteilsausgleiche sind bei Para- oder Tetraplegie folgende Merkzeichen:
    • „G“ (Beeinträchtigungen im Straßenverkehr)„aG“ (außergewöhnlich gehbehindert)„H“ (hilflos)„B“ (berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson)
    • „RF“ (Ermäßigung des Rundfunkbeitrags möglich)

Ab einer Grad der Behinderung von 50 gelten Betroffene als Schwerbehinderte, für sie gelten besondere Regeln, zum Beispiel beim Kündigungsschutz. Unter Umständen können Arbeitnehmer ab einem GdB von mindestens 30 schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden (Rechtsgrundlage: § 2 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit § 151 Absatz 2 und 3 SGB IX). Diese Gleichstellung müssen sie bei der Agentur für Arbeit beantragen und können so in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes kommen. Auch für Arbeitgeber kann das Vorteile in Form von finanzieller staatlicher Unterstützung haben (siehe auch Beitrag Mit Querschnittlähmung auf Arbeitssuche: Anreize für potenzielle Arbeitgeber).

Die untenstehenden Nachteilsausgleiche sind als Beispiele gedacht – wer, ob und in welchem Umfang Anspruch auf sie hat, muss nach einem Blick in den Behindertenausweis individuell geklärt (und meistens individuell beantragt) werden. Einen sehr schönen Überblick bietet eine Tabelle von betanet: nachteilsausgleiche-gdb.pdf (betanet.de)

Nachteilsausgleiche von A wie Altersrente bis Z wie Zusatzurlaub

Altersrente

Schwerbehinderte Menschen können zwei Jahre früher (also mit 65 Jahren) in Rente gehen, ohne dass es zu Kürzungen kommt. Diese Regelung gilt für Menschen, die 1964 oder später geboren wurden. Bei Menschen, die zwischen 1952 und 1963 geboren sind, erhöht sich Ihre Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente schrittweise von 63 auf 65 Jahre. Natürlich kann man auch etwas früher in Rente gehen – dann muss man jedoch mit Abschlägen rechnen. Wer es genau wissen will, kann einen Termin bei der Rentenberatung vereinbaren – oder eine erste Prognose im (externer Link) „Rentenbeginn- und Rentenhöhenrechner“ der Deutschen Rentenversicherung ermitteln.

Assistenzhunde

Auf Antrag werden Hunde, die Menschen mit Behinderungen unterstützen, bei entsprechendem Nachweis meist von der Hundesteuer befreit.

Ausstattung Arbeitsplatz

Muss der alte Arbeitsplatz vor der Rückkehr in den Job neu ausgestattet werden oder steht ein Jobwechsel an, gibt es zahlreiche Förderungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Arbeitsassistenz, Adaption des Arbeitsplatzes durch geeignete Hilfsmittel oder Wechsel auf einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens. Einen detaillierten Überblick zu diesem Thema bieten die Beiträge Mit Querschnittlähmung auf Arbeitssuche: Anreize für potenzielle Arbeitgeber und Ab in den ersten Arbeitsmarkt! „Budget für Arbeit“ und „Budget für Ausbildung“ sollen dabei helfen.

Bahncard

Für Personen mit voller Erwerbsminderung und für schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 gibt es ermäßigte Bahncards: Die BahnCard 25 für rund 40 Euro (2. Klasse) oder für rund 80 Euro (1. Klasse), die BahnCard 50 für 122 Euro (2. Klasse) oder für 241 Euro (1. Klasse).

Bausparverträge

Schwerbehinderte Menschen ab einem Grad der Behinderung von 95 können vorzeitig und ohne Abzüge über ihren Bausparvertrag verfügen. Diese Regelung gilt auch, falls der Ehepartner einen GdB von mind. 95 hat.

Besonderer Kündigungsschutz

Menschen mit Schwerbehinderung genießen besonderen Kündigungsschutz. Aber: Sie sind nicht unkündbar. Im Fall einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung (SBV) sowie den Betriebsrat bzw. den Personalrat informieren und nach der Probezeit die Zustimmung des Integrationsamtes einholen, das zunächst prüfen wird, ob das Beschäftigungsverhältnis erhalten werden kann (siehe auch Beitrag Der Kündigungsschutz bei Querschnittlähmung).

Einkommenssteuer

Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können behinderte Menschen anstelle einer Steuerermäßigung einen Pauschbetrag geltend machen. Seit 2020 können auch behinderungsbedingte Fahrten als Pauschale abgerechnet werden. Die wichtigsten Details schildert der Beitrag Mehr Geld und weniger Bürokratie für Steuerzahler mit Behinderung.

Ermäßigungen

Gegen Vorlage des Schwerbehindertenausweises gibt es oft eine Ermäßigung auf Eintrittspreise für Kultur- und Freizeitveranstaltungen. Ob sie gewährt wird, entscheidet der Veranstalter. Er hat auch das letzte Wort bei der Frage, ob Assistenten/Begleitpersonen umsonst zur Veranstaltung dürfen (siehe auch Beitrag Das Recht auf eine Begleitperson).  

Kfz-Kauf/Kraftfahrzeughilfe

Mobil für den Job und für die Teilhabe – das sind die beiden Stichworte, mit denen Hilfen für die Anschaffung eines behinderungsgerechten Pkw, beziehungsweise die nötigen Umbaumaßnahmen am treffendsten umschrieben werden können. Wer was bezahlt, ist im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt (siehe Beitrag Leistungen zur Mobilität: Zuschüsse für Kauf und Umbau eines Autos). In (externer Link) § 83 werden mögliche „Leistungen zur Mobilität“ genauer definiert: Zum einen werden dort Beförderungsdienste genannt. Zum anderen – als Variante 2, wenn die Nutzung dieser Dienste weder zumutbar noch wirtschaftlich ist – das eigene Auto. Genannt werden u. a. folgende Leistungen:

Kindergeld

Für Personen mit Schwerbehinderung kann Kindergeld noch über den 25. Geburtstag hinaus bezogen werden. Die Voraussetzungen dafür sind:

  • Die Behinderung trat vor dem 25. Geburtstag ein (wurde das Kind 1981 oder früher geboren: vor dem 27. Geburtstag)
  • Das erwachsene Kind kann aufgrund der Behinderung seinen Lebensbedarf nicht decken (grundsätzlich der Fall bei Merkzeichen „H“). (hilflos) eingetragen ist.
  • Es gibt einen Erziehungsberechtigen, an den das Kindergeld ausgezahlt werden kann. 

Mehrbedarf bei Sozialhilfe und Bürgergeld

Menschen mit Schwerbehinderung haben u.U. Anspruch auf „Mehrbedarfszuschläge“, wenn sie Sozialhilfe oder Bürgergeld erhalten und aufgrund ihrer besonderen Situation mehr Geld benötigen. Eine sehr detailliierte Aufschlüsselung zu diesem Thema hat das Internetportal betanet unter (externer Link) Mehrbedarfszuschläge > Zuschläge bei Sozialhilfe und Bürgergeld zusammengestellt.

Kfz-Steuer

Schwerbehinderte Fahrzeughalter sind ganz (Merkzeichen „H“, „BI“ oder „aG“) oder zu 50 Prozent (Merkzeichen „G“ oder „Gl“) befreit. Die Steuerermäßigung um 50 Prozent ist zusätzlich davon abhängig, dass der schwerbehinderte Mensch auf das Recht zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr verzichtet hat (keine Wertmarke im Beiblatt zum Schwerbehindertenausweis).

Die Befreiung gilt nicht, wenn das Fahrzeug zur Beförderung von Gütern (ausgenommen Handgepäck), zur entgeltlichen Beförderung von Personen (ausgenommen die gelegentliche Mitbeförderung) oder durch andere Personen benutzt wird, die nicht im Zusammenhang mit der Fortbewegung oder der Haushaltsführung der behinderten Person stehen (Rechtsquelle: Kraftfahrzeugsteuergesetz, § 3a Vergünstigungen für Schwerbehinderte).

Parkerleichterungen

Das Rollstuhlfahrersymbol kennzeichnet Parkplätze, die Menschen mit Behinderungen vorbehalten sind. Und zwar nicht nur Rollstuhlfahrern, sondern auch blinden Personen oder außergewöhnlich Gehbehinderten. Seit 2009 haben auch Menschen mit bestimmten Funktionseinschränkungen das Recht hier zu parken. Voraussetzung ist, dass das Versorgungsamt die Zugehörigkeit zur berechtigten Gruppe festgestellt hat und die Straßenverkehrsbehörde einen entsprechenden blauen Parkausweis ausgestellt hat. Das muss eigeninitiativ beantragt werden. Der Schwerbehindertenausweis allein berechtigt nicht dazu, Behindertenparkplätze zu nutzen. Für mehr Details siehe Beitrag Sonderparkberechtigung im In- und Ausland.

Rundfunk-Beitrag

Für einige Personengruppen besteht die Möglichkeit, eine Reduzierung des Rundfunkbeitrags zu beantragen oder sich befreien zu lassen. Dies betrifft u.a.:

  • Menschen mit Merkzeichen „RF“ (Ermäßigung Rundfunkgebührenbeitrag) im Schwerbehindertenausweis
  • Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe)
  • Empfänger von Grundsicherung im Alter und Grundsicherung bei Erwerbsminderung
  • Empfänger von Sozialgeld und Bürgergeld (ehemals Arbeitslosengeld II)
  • Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel (§§ 61 bis 66) des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches – SGB XII)
  • Empfänger von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften (Landespflegegeldgesetz, nicht bei Pflegegeld nach § 37 SGB XI)
  • Empfänger von Pflegezulagen nach § 267 Abs. 1 Lastenausgleichsgesetz (LAG)
  • Personen, denen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 c des LAG ein Freibetrag zuerkannt wird
  • Volljährige, die in einer stationären Einrichtung leben (§ 45 Achtes Buch des Sozialgesetzbuches – SGB VIII)

Eine sehr detaillierte Übersicht hat die Verbraucherzentrale auf (externer Link) Wissenswertes zum Rundfunkbeitrag: Befreiung + Ermäßigung | Verbraucherzentrale.de veröffentlicht.

Studium

Studierende, die aufgrund ihrer Behinderung die Vorgaben der Prüfungsordnung nicht erfüllen können, können einen Nachteilsausgleich beantragen. Dieser wird an die individuelle Situation angepasst. Möglich sind zum Beispiel mündliche statt schriftlicher Prüfungen oder längere Fristen bei der Abgabe von Arbeiten. Auch bei der Zulassung können unter anderem Nachteilsausgleich eingefordert werden. Die Anträge sind beim jeweiligen Prüfungsamt zu stellen (siehe auch Beitrag Ratgeber „Studium und Behinderung“ – Der-Querschnitt.de sowie externer Link DSW: Prüfungen + Studienleistungen: Nachteilsausgleiche (studierendenwerke.de) sowie .

Zum Finanziellen: Wer BAföG will, muss auch mit Schwerbehinderung die üblichen Kriterien erfüllen. Allerdings decken die BaföG-Sätze keine behinderungsbedingten Mehrausgaben ab. Verschieden zusätzliche Leistungen können Studierende bei anderen Stellen beantragen, u.a.:

  • Hilfen für das Studium über die Eingliederungshilfe der Sozialämter
  • Mehrausgaben im Alltag können über die Grundsicherung (Ansprechpartner: Jobcenter) ausgeglichen
  • Unter Umständen wird das Kindergeld länger gezahlt
  • Häufig kann eine Befreiung/Reduzierung von Gebühren und Beiträgen beantragt werden

Zusatzurlaub

Menschen mit Schwerbehinderung erhalten 5 Tage Zusatzurlaub (bei einer 5-Tage-Arbeitswoche, § 208 Absatz 1 SGB IX). Die zu­sätz­li­chen Urlaubstage sind dem gesetzlichen oder tariflichen Urlaub hinzuzurechnen. Bei Teilzeit-Beschäftigten wird der Anspruch entsprechend anteilig berechnet.


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Unter keinen Umständen ersetzt er jedoch eine rechtliche oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch eine juristische Fachperson oder Menschen mit Qualifikationen in den entsprechenden Fachbereichen, z.B. Steuerrecht, Verwaltung.

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Ob und in welchem Umfang private Krankenkassen die Kosten für Hilfsmittel, Therapien o.ä. übernehmen, ist individuell in der jeweiligen Police geregelt. Allgemeingültige Aussagen können daher nicht getroffen werden.