Welche Entlastungsangebote gibt es für pflegende Angehörige?

Ein Unfall oder eine Erkrankung eines Familienmitgliedes bringt von einem auf den anderen Tag die Familie und ihre Strukturen durcheinander. Wenn – zum Beispiel wegen einer Querschnittlähmung – die Pflege von den Angehörigen übernommen wird, sollten frühzeitig wohnortnahe Entlastungsangebote recherchiert werden.

Es gibt zahlreiche Angebote, die pflegende Angehörige zumindest etwas entlasten können

Selbsthilfegruppe

In dieser Gruppe treffen sich Angehörige von Menschen mit derselben Erkrankung. Sie tauschen sich über ihre Erfahrungen, Probleme und Sorgen aus. Sie unterstützen sich so gegenseitig und bekommen einen anderen Blick auf die Dinge. (Siehe auch Beitrag Sozial- und Behindertenverbände in Deutschland – Der-Querschnitt.de sowie Beitrag „Wer kümmert sich um mein querschnittgelähmtes oder behindertes Kind, wenn ich selbst krank werde?“ – Acht Punkte zur Vorbereitung auf den Notfall – Der-Querschnitt.de)

Alltagsunterstützende Angebote

Es handelt sich hierbei um Angebote, welche die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und soziale Teilhabe von pflegebedürftigen Menschen fördern. Geschulte ehrenamtliche Helfer oder Beschäftigte eines ambulanten Pflegedienstes übernehmen die Begleitung von Gruppen oder die stundenweise Unterstützung von einzelnen Personen im Alltag. Diese Angebote werden von Vereinen oder auch von ambulanten Pflegediensten angeboten. Sie werden über den Entlastungbetrag in Höhe von 125 Euro beglichen. Dieser Betrag steht jeder Person monatlich zu, welche zu Hause gepflegt wird. (Siehe auch Beitrag 45b SGB XI: Alltagsbegleiter – Der-Querschnitt.de)

Peers

Hierbei geht es um die Beratung auf Augenhöhe. Die Peers berichten von den Erfahrungen, welche sie gemacht haben und weisen auf entsprechende Hilfsangebote hin. Sie bewahren die ratsuchende Person und deren Angehörige auch vor Fehlern und Umwegen. Die Belange der Angehörigen sind ebenfalls Bestandteil der Peer-Beratung. Bei der FGQ zum Beispiel gibt es rund 140 Peers an 28 Klinikstandorten. (Siehe auch Beitrag Wie Peer Beratung Menschen mit Querschnittlähmung helfen kann – Der-Querschnitt.de)

Ambulanter Pflegedienst

Der ambulante Pflegedienst unterstützt die zu pflegende Person und ihre Angehörigen, die erforderliche Pflege im gewohnten häuslichen Umfeld zu organisieren. Pflegenden Angehörigen erleichtern diese Dienste, berufstätig zu sein. Die Unterstützung durch den Pflegedienst wird auf die individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden und der Angehörigen zugeschnitten. (Siehe auch Beitrag Ein Modell für die ambulante Pflege – Der-Querschnitt.de)

Sozialdienst im Krankenhaus

Der Sozialdienst unterstützt den Patienten und seine Angehörigen bei der Vorbereitung der Entlassung in die Häuslichkeit, um diesen möglichst reibungslos zu gestalten. Das betrifft die Organisation der Pflege zu Hause sowie die Beschaffung der erforderlichen Hilfsmittel, aber auch den Antrag für die Zuerkennung eines Grades der Behinderung sowie eines Pflegegrades. Grundsätzlich hilft der Sozialdienst bei allen Leistungsanträgen. (Siehe auch Beitrag Checkliste: Entlassmanagement bei Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de sowie Unterstützungspflege bei Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de)

Pflegestützpunkte

Die Kranken- und Pflegeversicherungen haben örtliche Pflegestützpunkte. Sie sind mit den ortsansässigen Anbietern von Unterstützungsangeboten für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörigen sehr gut vernetzt. Es ist daher ratsam, sich einen Pflegestützpunkt in Wohnortnähe zu suchen. Anspruch haben darauf Personen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. (Siehe auch Beitrag Beratung durch Pflegestützpunkte – Der-Querschnitt.de)

Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)

Die EUTB berät (wohnortunabhängig) Menschen mit einer Behinderung oder von Behinderung bedrohte Menschen und deren Angehörige. Sie orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der Ratsuchenden und ist eine Ergänzung zu den Beratungsstellen der Leistungserbringer (wie zum Beispiel die Kranken- und Pflegeversicherung). Hier werden die Ratsuchenden kostenfrei und oftmals von Betroffenen beraten. Die EUTB® bietet keine Rechtsberatung an. Es gibt rund 500 EUTB®-Angebote in ganz Deutschland, die über Rehabilitations- und Teilhabeleistungen informieren und beraten. (Siehe auch Beitrag Unabhängig von Leistungsträgern: Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung – Der-Querschnitt.de)

Pflegezeit

Das Pflegezeitgesetz regelt, dass Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitenden einen Anspruch auf eine Pflegezeit von maximal sechs Monaten haben, in der sie einen nahen Angehörigen pflegen. Hierzu muss der Angehörige durch Vorlage einer Bescheinigung die Pflegebedürftigkeit nachweisen. Diese stellt der Medizinische Dienst oder die Pflegekasse aus. In der Zeit zahlt die Pflegekasse 90 Prozent des Nettoeinkommens des pflegenden Angehörigen. (Siehe auch Beitrag Zehn Rechte und ein Tipp, die pflegende Angehörige kennen sollten – Der-Querschnitt.de)

Familienpflegezeit

Pflegende Angehörige, die in einem Unternehmen von mindestens 25 Beschäftigten tätig sind, haben einen Rechtsanspruch auf die 24-monatige Familienpflegezeit. Über deren Verteilung und ggfs. Verringerung muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden. Der Arbeitgeber hat den Wünschen des Arbeitnehmers zu entsprechen, sofern dem keine betrieblichen Dinge entgegenstehen. (Siehe auch Beitrag Ratgeber: Rechte pflegender Angehöriger – Der-Querschnitt.de)

Pflegekurse

Sie sind ein Pflichtangebot der Pflegekasse für pflegende Angehörige. In den Kursen werden ihnen die theoretischen Grundlagen zur häuslichen Pflege beigebracht und sie erlernen konkrete Vorgehensweisen für den Pflegealltag. Themen können sein: Prophylaxen, Lagerungsmöglichkeiten und -techniken, Förderung der Blasen-/Darmkontinenz, Umgang mit Sonden, Stomata, Drainagen, Kathetern, Einsatz von Kommunikationshilfen, Ernährung und Flüssigkeitsversorgung, Haut- und Körperpflege, Kontrolle von Vitalfunktionen und rückenschonende Arbeitsweisen. (Siehe auch Beitrag Zehn Rechte und ein Tipp, die pflegende Angehörige kennen sollten – Der-Querschnitt.de)

Kurzzeitpflege

Diese Pflegeform kann genutzt werden, wenn die Pflege des Angehörigen zum Beispiel aufgrund der eigenen Reha oder eines Familienurlaubs für eine bestimmte Zeit nicht wahrgenommen werden kann und auch keine teilstationäre Pflege für den zu Pflegenden ausreicht. Die Pflegekasse bezuschusst zunächst nur die anfallenden Pflegekosten. Ab Pflegegrad 2 kann auch zur Deckung der anfallenden Kosten das Budget der Verhinderungspflege genutzt werden. Die Ersatzpflegeperson können für den Zeitraum der Verhinderung ein ambulanter Pflegedienst und damit eine professionelle Pflegekraft, aber auch Freunde oder Bekannte sein. Die Pflegekassen, Pflegebüros und andere Pflegeportale helfen bei der Suche nach einem Platz in der Kurzzeitpflege. (Siehe auch Beitrag Prävention des Burnouts für pflegende Angehörige – Der-Querschnitt.de sowie Leben mit Querschnittlähmung: Füreinander da sein in Love-Love-Balance – Der-Querschnitt.de)

Verhinderungspflege

Diese kann stundenweise, tageweise oder wochenweise in Anspruch genommen werden – maximal bis zu 42 Tagen pro Jahr. Der Gesamtzuschuss für die Verhinderungspflege der Pflegekasse für ein Kalenderjahr beträgt 1.612 Euro (Stand: Sept. 2024). Es können für die Verhinderungspflege Privatpersonen oder eine Pflegekraft eines ambulanten Pflegedienstes herangezogen werden. Die Verhinderungspflege wird durch die pflegebedürftige Person oder durch eine von ihm beauftragten Person bei der zuständigen Pflegekasse beantragt. (Siehe auch Beitrag Verhinderungspflege – Der-Querschnitt.de)


Der Text wurde in Ausgabe 3/2024 des PARAplegikers, der Mitgliederzeitschrift der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V. (FGQ) erstveröffentlicht. Die Redaktion von Der-Querschnitt.de dankt der Zeitschrift und Autor Stephan Neumann herzlich für die Zustimmung zur Zweitveröffentlichung.


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Unter keinen Umständen ersetzt er jedoch eine rechtliche oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch eine juristische Fachperson oder Menschen mit Qualifikationen in den entsprechenden Fachbereichen, z.B. Steuerrecht, Verwaltung.

Der-Querschnitt.de führt keine Rechtsberatung durch.

Ob und in welchem Umfang private Krankenkassen die Kosten für Hilfsmittel, Therapien o.ä. übernehmen, ist individuell in der jeweiligen Police geregelt. Allgemeingültige Aussagen können daher nicht getroffen werden.